Familienaufstellung oder Ewig Streit mit den Lieben (German Edition) by Alexandra Kusche

Autor:Alexandra Kusche [Kusche, Alexandra]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2015-08-17T16:00:00+00:00

Angst

Nadine hatte die ganze Nacht Mindmaps gezeichnet, die ihre Entscheidung bestätigten. Übermüdet saß sie beim Frühstück auf der Terrasse ihrer Suite.

Als Michael sie auf dem Handy anrief, hob sie nicht ab, fühlte sich aber stark genug, um seine Nachricht abzuhören und ihn zurückzurufen.

„Hallo Nadine. Schön, dass du zurückrufst. Wo bist du?“, fragte er neugierig.

„Das sage ich nicht“, lachte Nadine. „Was ist so dringend?“

„Ich wollte hören, wie es meiner Lieblings-Chefin geht“, flirtete er. Nadine konnte sich seinem Charme nicht entziehen.

„Es geht mir gut. Ich habe alles jederzeit im Blick.“

„Auch unseren Firmen-Posteingang? Wir haben dreißig E-Mails bekommen, von Usern eines Kleinanleger-Forums. Sie bitten dich, ihre Ersparnisse zu verwalten.“

„Gibt es einen Anhaltspunkt, wie die auf mich kommen?“

Michael schwieg, während er die E-Mails sichtete. „Günter Bomann schreibt, er war im Bewusstheits-Zentrum Meierhof. Er weiß aus der Presse, dass du auch da warst und vertraut dir nun mehr als anderen Vermögensverwaltern.“

Nadine bemerkte einen ungewohnten Unterton in Michaels Stimme. Abrupt wechselte sie das Thema: „Würdest du mir sagen, wenn meine Mitarbeiter eine Intrige gegen mich schmieden?“, fragte sie freundlich.

„Soll ich?“, erwiderte Michael keck.

Die Energie wich aus Nadines Körper, ihre Knie wurden weich. Sie stellte sich ihren grünen Schutzschild vor und fühlte sich stabiler. „Bitte bring es mir schonend bei.“

„Es gärt hier. Sven ist unzufrieden, aber er tut, was du willst, weil er panische Angst hat, du könntest ihm kündigen. Marco telefoniert ständig mit unseren Kunden, er ist ein Schleimer, aber die Kunden mögen das.“

„Er wird die Firma verlassen und die Kunden mitnehmen.“

„Dazu ist er nicht gut genug“, lachte Michael schrill.

„Das ist wahr“, stimmte Nadine zu, aber das Gefühl, Marco könnte ihr gefährlich werden, blieb.

„Hör zu Michael, du bist jung und brauchst Geld, aber lass dir eins gesagt sein: In unserer Branche gibt es keine Freunde. Nimm dich in acht, vertrau keinen Versprechungen.“

Michael murmelte etwas, das Nadine nicht verstehen konnte, aber sie wusste, was er ihr sagen wollte:

„Wenn du ein anderes Angebot bekämst – zum Beispiel von Marco – würdest du meine Firma verlassen?“

„Erhöh mein Gehalt. Marco bietet mir tausend Euro mehr.“

„Im Monat? Was sollst du für ihn tun?“

Michael lachte aufgekratzt. „Ich werde Analyst.“

„Dann fang gleich an zu lernen“, sagte Nadine schnippisch.

Sie legte auf und öffnete das Firmenmailfach. Günter hatte Nadine gleich am Morgen geschrieben: Liebe Frau Weiß, ich habe das Bewusstheits-Zentrum Meierhof besucht und in Manuel Meiers Geldseminar etwas über mich gelernt: Ich traue keinem Vermögensberater, kann aber auch nicht ohne Hilfe investieren. Da Sie ebenfalls dort waren, sehe ich Sie und Ihre Arbeit mit anderen Augen. Ihr Umgang mit dem Leben fasziniert mich. Deshalb bitte ich Sie, mein Vermögen zu verwalten.

Nadine schmunzelte über Günters gespielte Distanziertheit und folgte seinem Link in ein Kleinanleger-Forum, wo er einen Erfahrungsbericht gepostet hatte:

Es hat mich neugierig gemacht, dass die Vermögensverwalterin Nadine Weiß im Bewusstheits-Zentrum Meierhof auf Usedom war. Ich habe es mir selbst angesehen und ein Geldseminar besucht. Dort bekam ich keine Anlage-Tipps, sondern wurde angeleitet, mich mit meiner eigenen Haltung zu den Themen Geld und Investitionen auseinanderzusetzen. Offenbar gibt einen Zusammenhang zwischen Emotionen, Verhaltensmustern und finanziellem Erfolg. Ich verstehe nun, warum mir Fehler passieren und kann sie vermeiden.

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